Die auf den Herrn sehen, werden strahlen vor Freude, und ihr Angesicht soll nicht schamrot werden
(Psalm 34, Vers 6).

Liebe Gemeinde,

Scham ist ein starkes Gefühl.
Ich spüre es körperlich. Die Bibel benennt eine von vielen möglichen körperlichen Reaktionen:
Ich werde rot, mir steigt die Schamesröte ins Gesicht. Und obwohl ich das selbst nicht sehen kann, weil ich in der Regel mein Gesicht nicht sehe, erkenne ich, wenn es passiert.
Meine Scham kann ich aber auch in der Magengegend spüren oder als Kloß im Hals. Manchen Menschen wird ganz kalt oder heiß, jeder, jede reagiert anders. Aber deutlich wird: Scham ist ein starkes Gefühl, das sich schlecht aushalten lässt.

Und mit wem rede ich über meine Scham?

Die kleine Schwester der Scham ist die Peinlichkeit. Mit ihr lässt es sich schon leichter umgehen:

Ich kann dir sagen, das war mir sooo peinlich! Dieser Satz geht schon leichter über die Lippen.
Aber: Ich schäme mich? Das fällt mir schwer, jemandem das anzuvertrauen.
Wofür schäme ich mich?
Und muss ich mich für bestimmte Dinge wirklich schämen?
Oftmals schämen sich Menschen, weil sie sich von anderen beschämt fühlen. Wegen Ihrer Krankheit, wegen einer Sucht, oder weil sie einfach nicht den normalen Standards entsprechen. Scham entsteht, wenn ich beschämt werde. Beschämt zu werden ist sehr verletzend. Manchmal reicht eine dahin geworfene, vielleicht nicht
ganz eindeutige Bemerkung eines Anderen und ich fühle mich bei einer Schwachstelle ‚ertappt‘ und bloßgestellt. Sofort scheint meine Schwäche öffentlich gemacht, und ich bin beschämt.

Wie schön ist es, wenn ich demgegenüber dann den 34. Psalm lese. Wenn ich Gott begegne, muss ich mich für nichts schämen. Er liebt mich auch mit meinen Schwächen. Auch wenn ich anders bin und nicht in allen Lebensbereichen perfekt, muss ich mich dafür nicht schämen. Und von ihm lerne ich, achtsamer mit meinen Worten und meiner Ausdrucksweise umzugehen, so dass ich andere nicht beschäme.

Neulich hörte ich in einer Andacht die Idee, noch ein elftes Gebot ‚einzuführen‘: Du sollst niemanden beschämen!

Diese Idee hat mich nachdenklich gemacht.
Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit und grüße Sie von hier aus.

Pfarrerin Margret Noltensmeier