Historie
Entstehung des Kirchspieles Schwalenberg
Von Ekkehard Höver, Pfarrer in Schwalenberg von 1978 – 1992
Von Carl Ferdinand Fabritius – Zeno.org, ID-Nummer 20004009746, Gemeinfrei, Quelle
Über die genauen Anfänge des Kirchspieles wissen wir nur wenig. Vieles wird wohl immer im Dunkeln bleiben. Dies reizte schon oft zu vielfältigen Spekulationen. Die geführten Auseinandersetzungen möchte ich an dieser Stelle aber nicht wiederholen. Statt dessen beschreibe ich mir wichtig erscheinende geschichtliche Begebenheiten.
Die Ausbreitung des christlichen Glaubens begann im hiesigen Gebiet, als es nach Ende des Sachsenkrieges dem Frankenreich eingegliederte wurde. Schon bald wurden Bistümer errichtet. Dabei wurden die früheren sächsischen Gaueinteilungen beibehalten. So kam der spätere Herrschaftsbereich der Schwalenberger, der Wethigau, zur Diözese Paderborn.
Auf die Einrichtung der Bistümer folgte bald die Einteilung des Landes in Pfarrsprengel. Der zeitgenössische Chronist Ivo berichtet: „Karl ließ so schnell wie möglich Kirchen bauen und teilte das Land in sorgfältig abgegrenzte Pfarrsprengel ein.“ Diese schon zu Zeiten Karls des Großen (768 – 814) errichteten Sprengel stellen die ersten Kirchspiele dar, die sogenannten „Urpfarreien“.
Über die ältesten Pfarrkirchen liegen nur sehr selten direkte historische Zeugnisse vor, so daß man auf Rückschlüsse angewiesen ist, wie etwa die Größe des Kirchspieles, seine siedlungsgeografische Lage, den Namen des Heiligen der Kirche und verschiedene Merkmale der Besitzverhältnisse. Die Urpfarreien hatten einen sehr großen Sprengel von 15 km Radius und mehr; dies bedeutete für die Randbewohner einen Tagesmarsch zum Gottesdienst. Eine Verkleinerung der Bezirke war damit unbedingt geboten.
Den Urpfarreien folgten die Stammkirchen, deren Gründungsperioden um 900 als abgeschlossen betrachtet wird.
Was heißt dies für Schwalenberg?
Kittel sieht in seiner „Geschichte des Landes Lippe“ im Südosten die alte Kilianskirche in Lügde und die Kirche des Archidiakonatssitzes Steinheim als „ursprünglich einzige Kirchen dieses Raumes“. Die um 788 abgefaßten Reichsannalen rechnen den Königshof Schieder zur villa Lügde. „Wenn der Ort Hiddensen am Ende des Mittelalters zur Pfarrei Schwalenberg gehört hat, so muß Schwalenberg die Nachfolge der früh eingegangenen Stammpfarrei Schieder angetreten haben“. (S. 39)
Die Schwalenberger Pfarre umfaßte also ein großes Gebiet. Die Orte Eblinghusen, Hessenhusen, Dudenhusen und Eiegdorp wurden später wüst. Und seit der Reformation gehören – bis heute – zur Pfarre die Orte Schwalenberg, Brakelsiek, Lothe, Ruensiek, Hagedorn und Kreienberg.
Einen gewissen Anhaltspunkt für das Alter einer Kirche geben die Patrozinien. Jede Kirche wurde bei ihrer Konsekration einem bestimmten Heiligen oder Patron geweiht, von dem der Mensch Fürsprache bei Gott und Schutz in den Gefahren und Bedrängnissen des Lebens erhoffte.
Die Schwalenberger Kirche war Johannes dem Täufer (St. Johannis Baptista) geweiht. Diese Patrozinie finden wir häufig bei Taufkirchen. Und die ersten Kirchen waren Taufkirchen gewesen! Im 12.-13. Jahrhundert wurden demgegenüber andere Heiligennamen bevorzugt:
Etwa Maria, Liborius, Petrus, Paulus. Da genaue historische Nachrichten für Schwalenberg fehlen, bleibt uns nur die Annahme, daß wir es auch hier mit einer alten Kirche aus dem Anfang dieses Jahrtausend zutun haben.
Im Archidiakonatsverzeichnis Paderborn von 1231 ist das „oppidum Svalenberg“ genannt, dessen Kirchspiel zur „sedes“ Steinheim gehörte.
Der Ort besaß also 1231 nachweislich eine Kirche.
Von „Bürgern“ und vom „Rat“ und damit von Stadtrechten ist zuerst 1258 und 1260 die Rede. Der Name Schwalenberg erscheint in den Urkunden erstmals in Verbindung mit Graf Widukind, der 1128 am Fuße seiner Burg das Kloster Marienmünster gründete. Diese Burg hieß später Oldenburg. Die Besitzungen erstreckten sich bis nach Hannover und zur Lippe und bis nach Waldeck. 1225 haben Volkwin IV. und Adolf I. den Besitz in die Linien Schwalenberg und Waldeck geteilt. Und 1240 ist von der Schwalenberger Linie die Grafschaft Sternberg abgetrennt worden.
Die Anfänge: Kloster Burghagen
Von dem ersten Kirchengebäude sind die Mauern des Chores und des Kirchenschiffes erhalten geblieben. Dies wurde bei der 1980/81 durchgeführten Restaurierung der Kirche erkannt.
Der erste Kirchenbau bestand aus Chor und zweigegliedertem Langhaus. Das untere Mauerwerk zeigt romanische Formen: kräftige Wandpfeiler, die oben von Kämpfern abgeschlossen werden. Der romanische Baustil zeigt sich noch heute in den Grundmaßen des Gebäudes: so sind der Chor wie die beiden Joche des Langhauses sowohl in ihrem Grundriß als auch im Höhenmaß bis zum Kämpfer quadratisch gestaltet.
Die erste Kirche hatte eine gerade Holzbalkendecke. Im Chor sind an zwei Stellen Reste einer Malschicht aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts gefunden worden. Da aus archäologischer Sicht keine weitergehenden Erkenntnisse zu gewinnen sind (durch frühere Baumaßnahmen wurden die Erdschichten gestört), müssen wir uns darauf begrenzen, daß um 1200 das heutige Kirchengebäude in seinen wesentlichen Teilen bereits erbaut war.
Die Kirche ist mit ihren Fundamenten auf einem Mergel-Felsdorn gegründet; wohl deshalb wurde sie an dieser Stelle am Rande der Stadt errichtet und nicht in der Stadtmitte. Die Längsachse des Gebäudes weist exakt(!) mit dem Chor nach Osten. Von dort erwartet die Gemeinde den zum Gericht wiederkommenden auferstandenen Christus.
Viel diskutiert wird ein möglicher Zusammenhang der Schwalenberger Kirche mit dem Zisterzienser-Nonnenkloster „Burghagen“. Das Kloster wird in Urkunden 1231 und 1246 genannt und wurde 1247 nach Falkenhagen verlegt (die noch des öfteren zu lesende Behauptung, „Burghagen“ habe an der Stelle „de wöste Kerke“ unweit Schwalenbergs gelegen, ist durch die Grabung von Dietz widerlegt).
Burghagen ist die älteste Klostergründung im Bereich des heutigen Kreises Lippe. Die wiederholt aufgestellte These, Volkwin IY habe dieses Kloster zur Sühne stiften müssen, ist nicht erweislich.Vieles spricht für die Annahme: Die Schwalenberer Kirche ist die Klosterkirche Burghagen. Im Kirchgebäude selbst finden wir manche Hinweise, die dies belegen. Die Schwalenberger Kirche ist nie eine Wehrkirche gewesen (wie z. B. Wöbbel oder Elbrinxen).
Im Westteil sind keine Turmfundamente zu finden und die Mauern des Chores sind mit 1,5 m zu schwach. Schriftliche Zeugnisse aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts belegen, daß diese Kirche einen kleinen Dachreiter hatte. Derartig schlichte Kirchbauten sind aber kennzeichnend für den Zisterzienserorden. Der Chor und der vordere Teil des Langhauses könnten den Nonnen vorbehalten gewesen sein. Nur so läßt sich die Existenz der Lavabo-Nische an der Südseite erklären. Der Westteil war der Gemeinde zugeteilt.
Kreuzgang und Schlafräume könnten sich anschließend an der Nordostseite des Chores befunden haben. Auffallend ist, daß später die Schulgebäude eben an dieser Stelle mit der Kirche verbunden waren. Noch heute wird der Zugang zum Chor „Alte Schule“ genannt.
Für die These „Burghagen“ spricht auch, daß nur dieser Teil der Kirche in Fachwerk errichtet ist, während das Gebäude sonst in Bruchstein erbaut wurde. Bei der Gründung von Klöstern wurden die Kirchen massiv erbaut und die anderen Gebäude zunächst aus Holz oder in Fachwerk.
Neben diesen eindeutigen Hinweisen gibt es auch Belege in der Stadtgeschichte. Als Graf Volkwin IV. um 1220 die Burg erbauen ließ, wurden auf halber Höhe des Burgberges auch Häuser für seine Ritter, Burgmannen und Diener gebaut. Ungewiß ist, ob zu jener Zeit dort schon eine Siedlung existierte.
Die rasch anwachsende Bevölkerung des Fleckens brauchte genügend Trinkwasser. Da der Grundwasserspiegel 25m tiefer liegt, mußte ein Wassergraben angelegt werden, um das Wasser der 3,5 km entfernten Magdalenen-Quelle in die Stadt zu leiten.
Dies war eine äußerst schwierige Aufgabe: Um ein Tal herum mußte der Wassergraben so geführt werden, daß bei jedem Wetter (!) sauberes Trinkwasser in die Siedlung floß. Neben dem exakt zu berechnenden Gefälle mußten andere kreuzende Bäche unterquert werden; noch heute sind die einzelnen „Wasserbrücken“ erhalten.
Diese hohe technische Leistung konnten nur ausgezeichnete Wasserbauer vollbringen: die Zisterzienser. Ihre Klöster galten als die „Technischen Hochschulen des Mittelalters“. Die Zisterzienser legten entweder im Ödland künstliche Gewässer an, oder sie legten sumpfiges Land trocken.
Den Zisterziensern ein Kloster zu stiften, war für Graf Volkwin somit sehr nützlich; und er folgte der damals sehr großen Beliebtheit gerade dieses Ordens, der zu den ursprünglichen Regeln des Klosterlebens zurückkehrte: beten und arbeiten; gegen den Prunk mancher anderer Orden stand die Weltabkehr, die – bauliche – Schlichtheit und das Schweigen.
Damit bleibt als einziger möglicher Ort für das Kloster „Burghagen“: Schwalenberg. Die Verlegung des Klosters nach Falkenhagen erfolgte wegen des Aufblühens des Ortes. Das stetig wachsende weltliche Treiben stand zunehmend im Widerspruch zur Weltabkehr und dem Schweigegebot.
So zogen die Zisterzienser 1247 in die Falkenhagener Einöde, um diese zu kultivieren.
Liebe Leser,
dieses waren die Anfänge des Kirchspieles Schwalenberg und unserer schönen alten Stadtkirche.
Weitere Informationen werden folgen, falls Interesse Ihrerseits besteht.
Es grüßt Sie herzlich
Der Kirchenvorstand der Ev.-ref. Kirchengemeinde Schwalenberg